Münsteraner Theologin bekräftigt Kritik am Verfahren

Elsner zu Nihil obstat: Problem beginnt bei "vorauseilendem Gehorsam"

Veröffentlicht am 08.02.2024 um 12:31 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Die Münsteraner Theologin Regina Elsner hatte jüngst von ihren eigenen Erfahrungen mit dem Nihil-obstat-Verfahren berichtet und scharfe Kritik am Prozess geübt. Nun bekräftigt sie diese und sagt: Das Problem fängt schon vorher an.

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Laut der Münsteraner Theologin Regina Elsner liegen die Schwierigkeiten beim kirchlichen Verfahren zur Erteilung der Hochschullehrerlaubnis (Nihil obstat) tiefer als im eigentlichen Prozess. Ein transparenteres Verfahren auf allen beteiligten Ebenen wäre zwar ein großer Fortschritt, der sehr viel Missbrauch und Willkür ausschließen würde, sagte Elsner am Donnerstag dem Deutschlandfunk. "Aber das Problem fängt aus meiner Sicht vorher an: Da, wo Fakultäten, Bischöfe oder Bischofskonferenzen quasi in vorauseilendem Gehorsam schon Begrenzungen vornehmen; dass man vorher schon überlegt: Hat dieser Kandidat oder diese Kandidatin überhaupt eine Chance?" Und: "Dass man Menschen im wissenschaftlichen Betrieb vorher schon sagt, zu diesem Thema nicht zu forschen, weil man damit keine guten Chancen hätte."

Solche Probleme hingen nicht mit der Transparenz zusammen, so Elsner weiter. "Das ist eben ein Machtsystem, in dem sich alle drauf vorbereiten, jederzeit bestraft zu werden oder nicht das machen zu können, was man eigentlich gut kann, weil man der römischen Lehre nicht entspricht." In Deutschland gebe es durch die Konkordate die besondere Situation, dass Staat und Kirche auch auf der Ebene von Hochschulen kooperierten. Aus diesem Grund könne man hierzulande "starke Theologie" an staatlichen Universitäten treiben. "Ich glaube aber, dass die Fakultäten selbst sehr viel souveräner mit ihrer Wissenschaftlichkeit umgehen könnten im Verhältnis mit der katholischen Kirche", betonte die Wissenschaftlerin.

Elsner bekräftigte im Interview ihre Kritik am Nihil-obstat-Verfahren, die sie vor Kurzem bereits in einem Beitrag für das theologische Feuilleton "Feinschwarz" getätigt hatte. Darin beklagte sie "die absolute Intransparenz der Entscheidungsprozesse". Das Verfahren sei "eines der am besten gehüteten Tabus des katholischen Machtsystems", so die Theologin in ihrem Text, in dem sie von ihren eigenen Erfahrungen mit dem in ihrem Fall 13 Monate dauernden Verfahren, das sie jüngst durchlaufen hatte, berichtete. Elsner ist seit 1. Januar 2024 Professorin für Ostkirchenkunde und Ökumenik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster.

Studie wertet Erfahrungen aus

Mit den Erfahrungen von Lehrstuhlkandidatinnen und -kandidaten im Nihil-obstat-Verfahren beschäftigt sich auch eine vor zwei Wochen veröffentlichte Studie des Forums katholischer Theologinnen "AGENDA" und des Bochumer Zentrums für angewandte Pastoralforschung (zap). Demnach schränkt das Verfahren Theologinnen und Theologen in ihrer wissenschaftlichen Arbeit ein und ist mit Angst und Druck verbunden. Zwei Drittel der Verfahren seien zwar ohne Beanstandungen und Rückfragen zu Ende gegangen; zudem sei der Anteil der kirchlichen Einwände seit den 1990er Jahren stetig zurückgegangen. Laut Studie ist das Verfahren allerdings diskriminierend, da mehr Frauen als Männer Rückfragen und Beanstandungen erhalten hätten.

Besonders der wissenschaftliche Nachwuchs werde durch die Erfordernis einer kirchlichen Lehrerlaubnis beeinflusst, stellte die Studie weiter fest. Teilnehmende hätten davon berichtet, dass zu bestimmten Themen nicht geforscht und publiziert werde, dass die eigene Lebensform geheim gehalten werde und dass existenzielle Entscheidungen wie die Gründung einer Familie, der Erwerb einer Immobilie oder die gemeinsame Karriereplanung in einer Partnerschaft nicht getroffen werden könnten, weil unklar sei, ob und wann mit dem Erhalt der Lehrerlaubnis gerechnet werden könne.

Das kirchliche Hochschulrecht sieht vor, dass Theologieprofessoren zum Antritt ihres Lehrauftrags eine Unbedenklichkeitserklärung des Heiligen Stuhls, das Nihil obstat ("nichts steht entgegen"), im Blick auf Lehre und persönliche Lebensführung benötigen. Zuständige Behörde in Rom ist das Dikasterium für die Kultur und die Bildung, das seit 2022 von Kardinal José Tolentino Calaça de Mendonça als Präfekt geleitet wird. Beteiligt ist auch das Glaubensdikasterium. Neben dem Nihil obstat für die Professoren kommt dem Dikasterium auch die Ernennung oder Bestätigung von Rektoren kirchlicher Universitäten, der Präsides eigenständiger kirchlicher Fakultäten und der Dekane kirchlicher Fakultäten zu. Zuletzt sorgte die Verweigerung des Nihil obstat für den Brixner Moraltheologen Martin Lintner für eine öffentliche Diskussion. Im Sommer machte die Philosophisch-Theologische Hochschule Brixen öffentlich, dass das vatikanische Bildungsdikasterium Lintner die Unbedenklichkeitserklärung für die Wahl zum Dekan der Hochschule nicht erteilt hatte. Laut Lintner gibt es im Vatikan bereits Bewegung hinter den Kulissen, das Verfahren anders zu gestalten. In Deutschland war der letzte öffentlich bekannt gewordene Fall der des damaligen Rektors der Jesuitenhochschule Sankt Georgen, Ansgar Wucherpfennig, im Jahr 2018. (mal)